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Zeit des Wandels – Deutsche Agrarpolitiker und ihre Lobbyisten auf dem Holzweg

Februar 19, 2012

Entwicklungen der landwirtschaftlichen Urproduktion und deren Umfeld in den letzten Jahrzehnten (nach Manfred Köhne 2008)

Nach Köhne (2008) wurde die Entwicklung der landwirtschaftlichen Urproduktion und deren Umfeld in den letzten Jahrzenten von den folgenden Entwicklungen gekennzeichnet. Nach seinen Ausführungen ging die Zahl der Betriebe von 1980 bis 2005 in den alten Bundesländern um die Hälfte zurück. Dies geschah hauptsächlich aus einem Grund: kleinere Betriebe wurden aufgegeben, ein großer Teil, weil sie nicht mehr rentabel waren. Auf der anderen Seite wurden wirtschaftlich stabile Betriebe vergrößert um ökonomische Größenvorteile nutzen zu können. Dabei wurden teilweise aus den aufgegebenen Haupterwerbsbetrieben Nebenerwerbsbetriebe. Trotz dieser Entwicklung schätzt Köhne die Agrarstruktur, in Bezug auf die Nutzung der angesprochenen ökonomischen Größenvorteile, als negativ ein. Ebenso negativ bewertet er die Größenstrukturen bei der Zahl von Kühen und Schweinen pro Betrieb in Bezug auf die ehemalige BRD. Aus ökonomischer Sicht ist demnach die Entwicklung von durchschnittlich 13 Zuchtsauen (1981) auf 67 (2005), wovon 67% in Betrieben mit über 100 Tieren leben, demnach noch recht ungünstig. Noch ungünstiger war nach seiner Sicht die Entwicklung der Tierbestände bei den Milchkühen, hier vermehrte sich der Bestand von 1981 (durchschnittlich 13 Tiere pro Betrieb) auf nur 32 Tiere, wobei nur 10% der gesamten Kühe in Beständen von mehr als 100 Tieren gehalten werden. Die Geflügelhaltung geht hier mit gutem Beispiel voran, hier herrschen auch in den Alten Bundesländern sehr große Einheiten vor.
In Ostdeutschland wird das Potential mit 92% weniger Betrieben als in den alten Bundesländern (2005) ausgeschöpft. Wobei die Hälfte der Unternehmen im Haupterwerb bewirtschaftet werden und acht mal so groß sind wie in den alten Bundesländern. Die andere Hälfte der Betriebe, die Nebenerwerbsbetriebe, sind klein und können, nach Köhnes angaben, deshalb nicht ökonomisch effektiv bewirtschaftet werden. Die meisten Tiere in den östlichen Bundesländern werden bereits in Beständen mit 100 Tieren pro Betrieb gehalten. Dazu merkt Köhne an, dass diese Größe noch nicht ausreicht um alle Vorteile auszuschöpfen. Allerdings gibt es nicht nur ein West/Ost Gefälle sondern auch erhebliche Unterschiede zwischen den Tierzahlen in Nord- und Süddeutschland. In Norddeutschland gibt es auffallend große Einheiten. Herr Köhne empfiehlt auch in Hinblick auf die Produktivität von Kapital und Arbeit, beim Neubau von Ställen Größenvorteile zu nutzen, dies könnte z.B. durch den Bau von Gemeinschaftsställen, wie sie zur Zeit noch nicht weit verbreitet sind, realisiert werden.
Um die genannten Nachteile der kleinen Betriebe und ineffizienten Tierzahlen auszugleichen gibt es verstärkt horizontale Kooperationen. Landwirte kooperieren mit Berufskollegen und Dienstleistern. Diese Art von Kooperation erleichtert den Einkauf sowie den Absatz und begünstigen daher die Spezialisierung der Betriebe. Dies wird nach Köhne mittlerweile von Landwirten vorurteilsfreier als früher bewertet. Die Spezialisierung mindert nach seiner Ansicht das Risiko der Unternehmen. In den Märkten ist die Kooperation allerdings nicht so stark entwickelt und es bestehen aus seiner Sicht noch Intensivierungsreserven. Durch Nachbarschaftshilfe, Maschinenringe, Bruchteilsgemeinschaften, Maschinengesellschaften und Lohnunternehmer können auch kleinere Betriebe die Vorteile moderner Technik, besonders in Hinblick auf die Arbeitsproduktivität, nutzen. Zudem spricht er eine weitere Form der Kooperation an, die vertikale Kooperation. Wobei er hier auf die vertikale Kooperation in Form von Verträgen, zumeist Abnahmeverträge, eingeht.
Er spricht an, dass hier Unternehmen mit relativ kleinem Angebot öfter gezwungen sind Kooperationen dieser Art einzugehen. Große Unternehmen mit größerem Angebot können eher darauf verzichten. Sie können sich freier entscheiden ob Sie Verträge mit weiterverarbeitenden Unternehmen eingehen oder nicht, weil Ihre Produkte für mehrere Abnehmer interessant sind.
In Bezug auf die üblichen Rechtsformen der Landwirtschaft geht Köhne auf den Anstieg des Anteils von Gesellschaften, die zuvor in den Alten Bundesländern so gut wie gar nicht vorhanden waren, ein. Mittlerweile werden in den alten Bundesländern 10% der landwirtschaftlichen Flächen von Personengesellschaften (KG, GbR) bewirtschaftet. In den Neuen Bundesländern sind es 22%. Juristische Personen (GmbH, AG, e.G.) sind in den ehemals westdeutschen Bundesländern kaum vertreten (0,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche), wobei sie in den Ländern der ehemaligen DDR über die Hälfte der Flächen bewirtschaften. Einzelunternehmen haben in den westlichen Bundesländern mit knapp 90% Anteil noch immer (2005) die größte Bedeutung, während sie in den östlichen Bundesländern nur 26% der Flächen beanspruchen.
Außerdem ergeben sich erhebliche Unterschiede in den eingesetzten Arbeitskräften auf den Betrieben. Eine Tatsache eint jedoch die Betriebe in Ost und West: der Arbeitseinsatz ist erheblich zurückgegangen. In der ehemaligen BRD wird die verbliebene Arbeitsleistung überwiegend von Familienarbeitskräften erledigt. In der ehemaligen DDR ergab sich aus den entsprechend großen Betriebseinheiten ein höherer Besatz an Fremd-Arbeitskraftstunden. Auch in den Eigentumsverhältnissen hebt Köhne erheblich Unterschiede hervor: so werden in ehemals Westdeutschland nur rund die Hälfte der Flächen gepachtet, wobei sich in Ostdeutschland rund 80% nicht im Eigentum der Betriebe befinden. Dieser Anteil nimmt jedoch ab, immer mehr Pachtflächen in den Bundesländern der ehemaligen DDR werden in Eigentum umgewandelt. Dem entgegen steht der Trend, dass die Landwirte und Landwirtinnen mehr als früher mit Fremdfaktoren, wie Fremdarbeitskraftstunden, fremden Wirtschaftsgütern, Fremdkapital, der Pacht von Lieferrechten, Zahlungsansprüchen und Wirtschaftsgebäuden sowie der Miete und dem Leasing von Maschinen, arbeiten. Die Landwirtschaft nähert sich in dieser Hinsicht immer mehr dem Gewerbe an.
Aus den beschriebenen Veränderungen in den Betriebsstrukturen ergeben sich eine Vielzahl von Anpassungen in den Produktionsprozessen der Landwirtschaft, auf diese soll im Folgenden eingegangen werden:
Ein besonders offensichtlicher Trend ist nach Köhnes Ansicht die Spezialisierung. Diese führte z.B. dazu das mittlerweile ein erheblicher Teil (30%) der landwirtschaftlichen Betriebe viehlos arbeitet. In Ackerbaubetrieben hat sich der Anteil der Produktionszweige verringert. Hier gibt es häufig Betriebe die nur eine Blattfrucht und eine Getreideart anbauen. In viehhaltenden Betrieben zeichnet sich ebenfalls die Konzentration auf einzelne Betriebszweige ab. So wird auf grünlandreichen Betrieben die Milchviehhaltung forciert, während auf eine Bullenmast verzichtet wird. Dafür gibt es spezialisierte Bullenmastbetriebe. Hinzu kommt die Schweineerzeugung in geschlossen Systemen. Zum Teil wird auch hier noch eine Spezialisierung auf einzelne Produktionsstufen (z.B. Ferkelerzeugung) vorgenommen. Als Voreile der Spezialisierung führt Köhne an: Kostenvorteile bei Arbeit und Kapital, Vorteile beim Bezug der Betriebsmittel, sowie beim Absatz der Produkte, ein verbessertes Management, da der Betriebsleiter sich nur auf einen oder weniger Betriebszweige konzentrieren muss und verbesserte Arbeitsbedingungen, durch die hohe Mechanisierung. Nach seinen Angaben verbessert dies auch den Übergang von Haupterwerbsbetrieb zum Nebenerwerbsbetrieb. Hier ist nach seinen Ausführungen eine Spezialisierung aus arbeitswirtschaftlichen Gründen unverzichtbar. Die umfangreichen Nachteile der geringen Größe von Nebenerwerbsbetrieben können so durch Schwerpunktsetzung zum Teil ausgeglichen werden. Trotzdem stellen die geringen Schlaggrößen und zu kleine Tierbestände besonders in den Alten Bundesländern ein beträchtliches Hindernis gegen kapitalintensive Investitionen in Mechanisierung und Automatisierung dar und hemmen damit die Arbeitsproduktivität in den Betrieben. Werden Investitionen in Mechanisierung und Automatisierung getätigt, steigert sich die Flächenleistung durch hohe Leistungskapazitäten. Die Schnittbreiten und Bunkerkapazitäten wurden vergrößert, die Maschinen haben schnellere Arbeitsgeschwindigkeiten, arbeiten effizienter, sind größer und haben geringere Rüstzeiten. Auch in der Tierhaltung brachte die Automatisierung zahlreiche Arbeitserleichterungen, beispielsweise durch den Einsatz von Melkrobotern und effizienten Futtermischwägen. Köhne spricht auch die verfahrensverbessernden Maßnahmen des Precision Farming und des Precision Livestook Farming an, mit denen beispielsweise Futterkomponenten, Düngemittel und fossile Brennstoffe effizienter eingesetzt werden können. Auch hier ist die Nutzung der Systeme eher in groß strukturierten Betrieben denkbar, vor allem was die monetären Wirkungen von Spezialisierungsmaßnahmen, auf den Gewinn, betrifft. So geht die Schere zwischen gut verdienenden landwirtschaftlichen Betrieben und Betrieben am Rande des Existenzminimums immer mehr auseinander. Wird beispielsweise der Gewinn betrachtet zeigt sich: Das untere Drittel der Haupterwerbsbetriebe erzielt nur einen Gewinn von durchschnittlich etwa 6500 €/Jahr im Gegensatz dazu erreicht das obere Drittel einen Gewinn von knapp 100000€/Jahr. Dabei hat sich die Kapitalbildung real vermindert, d.h. sie ist bei den meisten Haupterwerbsbetrieben unbefriedigend. Nur größer strukturierte Betriebe sind in der Lage angemessene Eigenkapitalrücklagen zu bilden. Dies ist nach Köhnes Ansicht ebenfalls ein sachlicher Grund für das in der Landwirtschaft vorherrschende Prinzip „Wachsen oder Weichen“, welches auch in der Zukunft gelten wird.
Neben den Vorteilen geht Köhne auch auf die Nachteile der Spezialisierung ein. So führt er an, dass es zu Fruchtfolgeproblemen und dadurch zu einer Erhöhung von Aufwandmengen von Pflanzenschutzmitteln und Ertragsbeeinträchtigungen kommen kann. Zudem gibt es hohe Risiken für den Betrieb wenn sich Rahmenbedingungen (z.B. Preise) in Bezug auf den bevorzugten Betriebszweig ändern, oder es zu witterungsbedingten (Hagel, Trockenheit usw.) Ausfällen kommt. Diesen Risiken kann, z.B. durch den Abschluss von Versicherungen, Vorausverträgen oder den Handel an Warenterminbörsen und eine mehrjährige solide Finanzplanung (z.B. Rücklagenbildung), bedingt begegnet werden.
Zu den weiteren Nachteilen einer starken Forcierung von einzelnen Betriebszweigen zählt der erschwerte Arbeitsausgleich. Dies kann aber, nach den Angaben Köhnes, leicht durch die Erhöhung der Maschinenkapazität oder durch die Inanspruchnahme von Fremdleistung ausgeglichen werden. Bei einer hohen regionalen Viehdichte können Probleme mit der Dungbeseitigung, mit Seuchen und Emissionen aus den Stallgebäuden auftreten. Die regionale Spezialisierung zeigt sich auch in anderen Bereichen, so gibt es auch im Hackfruchtanbau Schwerpunktregionen, die sich besonders durch Standortfaktoren bedingen. Dies gilt auch für die Rinderhaltung. Geflügel und Schweinehaltung sind dagegen weitgehend standortunabhängig möglich. Hier ist die Verfügbarkeit von günstigen Importfuttermitteln ein entscheidender Faktor. Teilweise spielen auch Traditionen eine Rolle.
Die regionale Spezialisierung stimuliert sich selbst durch: Wettbewerb, Innovation, Spezialberatung und die Vermehrung von Weiterverarbeitungs- und Absatzmöglichkeiten und so haben Verdichungsstandorte nach Köhnes Angaben eine gute Position im interregionalen und internationalen Wettbewerb. Durch die Spezialisierung haben sich auch ehemalige Nischenprodukte zu Schwerpunkten entwickelt, beispielsweise der Spargelanbau und die Pferdehaltung.
Nach Köhnes Angaben überwiegen die ökonomischen Vorteile gegenüber den Nachteilen, die der Spezialisierung entgegen stehen.
Zusätzlich zur Bildung von Schwerpunkten, ist auch eine Erschließung von zusätzlichen Einkommensquellen zu vermerken.
Doch nicht nur eine zunehmende Spezialisierung ist zu beobachten, auch die zunehmende Intensivierung ist eine wesentliche Entwicklung in der Landwirtschaft. So waren für Getreide und Raps im Zeitraum von 1980 bis 2005 Ertragssteigerungen von rund 50% zu verzeichnen. Diese Zuwächse wurden durch Züchtung, Anpassung der Anbautechniken, der Dünung und den Pflanzenschutz erreicht. Die Züchtung hat das Leistungspotential von Tieren (Milchleistungssteigerung um 50%) und Pflanzen stark erhöht. Dabei spielt besonders die Hybridzüchtung eine entscheidende Rolle. In der Düngung erfolgte die Anpassung zumeist über die Verminderung der Grunddüngung. Dei Ackerbaubetrieben erfolgte dies auf Kosten der Bodenreserven. Die Steigerung der Naturalerträge in der Tierhaltung erfolgten durch Anpassung der Haltungsbedingungen, der bereits angesprochenen Zucht und der Fütterung. Dies erfolgte jedoch teilweise auf Kosten der Fleischqualität. Intensivierung wird von Köhne als ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Kostensenkung angeführt. Er weist jedoch auch auf die Erhöhung des Preisdruckes hin, der durch ein erhöhtes Marktangebot entsteht. Auch Köhne bemerkt, dass die effizienzsteigernden Fortschritte den Landwirten und Landwirtinnen nur zeit- oder teilweise zu Gute kommen.
Zu den Hinweisen zur Intensivierung kommen Anhaltspunkte für die Extensivierung in der Landwirtschaft. So beschreibt der Autor die inzwischen eingestellten Stilllegungsbestrebungen und die vermehrte Ausweisung von Schutzgebieten, wie Wasser-, FFH-, Vogel-, Naturschutzgebiete und Biosphärenreservate. Auch Extensivierungsmaßnahmen in der Tierhaltung, wie die Förderung alter Nutztierrassen wird angesprochen.
Viele Landwirtinnen und Landwirte haben seit dem Jahr 1980, nach Angaben von Köhne, ihr « Heil » im Ökolandbau gesucht. Im Jahr 2005 wurden rund 5% der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Gewirtschaftet wird, im Vergleich zum konventionellen Landbau, zu einem größeren Teil auf ungünstigen Standorten. Außerdem, und dieses Schicksal teilen sich ökologische Bäuerinnen und Bauern mit Ihren konventionellen Kollegen, wird relativ kleinstrukturiert gewirtschaftet.
Herr Köhne geht im weiteren Verlauf des Textes auf weitere für ihn gesellschaftlich bedeutsame Aspekte, die die Entwicklung in der Landwirtschaft kennzeichnen, ein. So nennt er die gestiegenen Anforderungen im Bereich der Qualitätssicherung. In diesem Zusammenhang nennt er die Rückverfolgbarkeit z.B. zur besseren Nachvollziehbarkeit von Herkünften und die Veränderungen in der Produkthaftung zu Gunsten des Verbrauchers. Er geht zudem auf die Einflüsse der Landwirtschaft auf die Umwelt, sowie die Einflüsse der Umwelt auf die Landwirtschaft ein und umreißt Änderungen in der EU Agrarpolitik. Herr Köhne vertritt hier die Seperationsstrategie. Für ihn sind wirtschaftlich tragfähige Landwirtschaft (inkl. Ökolandbau) und Naturschutzziele anderseits in der Regel nicht auf derselben Fläche umsetzbar. Er geht auch auf die gestiegenen Ansprüche der Verbraucher an die Landwirtschaft ein und nennt insbesondere den Tierschutz. Nach seiner Meinung sollen sich die gesetzlichen Mindestvorgaben einerseits an Tierschutzaspekten, anderseits an der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb orientieren.
Es gibt zudem weitere Änderungen der die Landwirtschaft betreffenden Rahmenbedingungen, beispielsweise in der Struktur der Zulieferer und Abnehmer der landwirtschaftlichen Unternehmen. So zeichnet sich auch hier, ähnlich wie bereits für die Landwirtschaft beschrieben, durch Fusion und Kooperation ein Konzentrationsprozess ab. Wobei bei den Unternehmen des Agribusiness (z.B. Saatgutproduzenten und Lebensmittelerzeuger) noch Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die eine gewisse Unternehmensgröße notwendig machen, hinzukommen. Trotz der erheblich gesunkenen Zahl der Betriebe hat sich das Handelsvolumen nicht verringert. Zum Teil ist es nach Angaben von Köhne sogar noch gewachsen. Die Unternehmen haben sich teilweise bis zu supranationalen Konzernen entwickelt. Vergleicht man die deutschen Strukturen jedoch mit wichtigen Konkurrenzländern, sind sie auf dem Milch- und Schlachtsektor nicht hinreichend Wettbewerbsfähig.
Ein Wandel hat auch im landwirtschaftlichen Beratungswesen stattgefunden, so ist die Beratung in Deutschland immer noch recht vielfältig. Sie ist über Offizialberatung, Beratungsringe, private Berater, kirchliche Beratung und Verbandsberatung, organisiert. Die staatliche Beratung geht allerdings weiter zurück.

Multifunktionalität der Landwirtschaft

Leistungen der landwirtschaftlichen Urproduktion nach KÖHNE (2008) ergänzt durch Sonja Kanthak

Betrachtet man nach Köhne die Wirtschaftskraft der Landwirtschaft hat diese auf den ersten Blick, mit nur einem Prozent Anteil an der Bruttowertschöpfung, nur eine relativ geringe Bedeutung.
Mit dem Begriff multifunktionale Landwirtschaft versucht Köhne die Bedeutung der Landwirtschaft weiter zu fassen. Er beschreibt, dass die Funktionen über die übliche Produktion von landwirtschaftlichen Gütern hinausgehen. Erst hier gibt Herr Köhne dem Leser einen Einblick in Einflüsse, die weit über das von ihm in vielfacher Weise zitierte Gesetz vom „Wachsen und Weichen“, hinausgehen. So werden beispielsweise Dienstleistungen, wie Kommunalarbeiten, Tourismus und Freizeitangebote, die nur im weitesten Sinne noch etwas mit landwirtschaftlicher Urproduktion gemeinsam haben, beschrieben. Aber er geht auch auf die nicht honorierten Dienstleistungen ein, die einzelne Bäuerinnen und Bauern erbringen. Diese werden abweichend vom einzelwirtschaftlichen Interesse erbracht und sind teilweise sogar mit finanziellen Einbußen verbunden. Beispiele dafür wären die Haltung alter Nutztierrassen oder die Erhaltung alter Kulturpflanzen. Erst nachdem er die umfangreichen Nachteile der landwirtschaftlichen Energiepflanzenerzeugung und die Verwertung von Siedlungsabfällen geschildert hat und nach einem kurzen Abstecher zur kontaktverbessernden Direktvermarktung, geht er auf den Einfluss der Landwirtschaft auf die Landschaft ein. Er widmet dieser Aufgabe der Landwirtschaft nur einige wenige Sätze. Seine Gegenthese lässt dabei viele Fragen offen. So beschreibt Köhne die Bedeutung der Landwirtschaft über die Ernährungsproduktion hinaus, und betrachtet die vor- und nachgelagerten Bereiche, sowie die Vorteile für ländliche Regionen: «Wenn sich die Landwirtschaft aus größeren Arealen zurückziehen würde, wäre die natürliche Sukzession sicherlich kein erstrebenswertes Ziel. Die dann gebotene Landschaftspflege würde erhebliche Kosten verursachen ». Vielleicht wäre es klug Köhne beim Wort zu nehmen und sich den Landwirt nicht mehr nur als Erzeuger vorzustellen sondern als Landschaftspfleger?

Der Begriff multifunktionale Landwirtschaft ist geeignet um die stattfindenden Umwälzungen rund um die landwirtschaftliche Urproduktion zu beschreiben. Jedoch ist zu beanstanden wie weit Köhne den Begriff fasst und auf welche Entwicklungen er besonders wert legt.
Zudem misst er der Bedeutung der Erhaltung von Naturpotentialen wie Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserneubildung, CO2-

Gesamtgesellschftliche Leitungen der landwirtschaftlichen Urproduktion – Erstellt mit Hilfe von Prezi

Bindung) eine erstaunlich geringe Bedeutung zu. Er erwähnt sie nur in einem Nebensatz. Das entspricht nicht den Realitäten, so ist nach Angaben der EU (2006): „Die Verschlechterung der Bodenqualität ist in ganz Europa ein schwer wiegendes Problem. Sie wird durch Tätigkeiten des Menschen wie bestimmte ungeeignete landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Praktiken … verursacht bzw. noch verschärft.“
Zudem sind seine genannten Beispiele sehr unvollständig, da die Landwirtschaft beispielsweise nicht nur durch CO2-Bindung einen Beitrag zum Erhalt de Naturpotentials leistet, sondern auch erhebliche Mengen ausstößt. So werden 10-12 % aller menschengemachten treibhausrelevanten Gase durch die Landwirtschaft erzeugt (IPCC 2007). Zudem unterlässt er es darauf hinzuweisen, dass die Landbewirtschaftung auch einen erheblichen Anteil an der Verschmutzung von Gewässern durch Nährstoffeinträge wie z.B. Nitrat (EU 1991) hat.

Außerdem fehlen in seinem Leistungskatalog soziale Leistungen, die die Landwirtschaft nicht nur indirekt sondern auch direkt erbringt, z.B. in Form von Integrationsangeboten für Menschen mit Behinderung (vgl. HERMANOWSKI 2006).

Welche nach Köhne zu erwartenden Veränderungen in der landwirtschaftlichen Urproduktion wird eine Ausweitung des ökologischen Landbaus begünstigen oder einschränken?

In seinem Ausblick weist Köhne darauf hin, dass die bereits beschriebenen Entwicklungen in ihren Grundzügen wahrscheinlich auch in der Zukunft weiterlaufen. Das heißt es wird eine weitere Spezialisierung, Intensivierung, Mechanisierung, sowie starken Wettbewerb mit der logischen Folge: „Wachsen oder Weichen“ geben, aber auf der anderen Seite auch eine stärkere Betonung von Umweltzielen, z.B. durch Extensivierung, zumeist separiert von wirtschaftlicher Landwirtschaft. Außerdem werden sich die Funktionen der Landwirtschaft beispielsweise im Bereich Landtourismus ausweiten.
Wenn sich die Entwicklungen, wie Köhne sie beschreibt, weiter fortsetzen, dann stehen die Zeichen für den Ökolandbau äußerst günstig. Wenn sich auch das Einkommen vor allem der kleiner strukturierten Landwirte auf ungünstigeren Standorten weiter so verschlechtert und viele Landwirte in der konventionellen Landwirtschaft keine günstige Perspektive mehr sehen, dann werden immer mehr versuchen ihr, wie Köhne es nennt: „Heil im Ökolandbau zu suchen“.
Wenn außerdem die Spezialisierung und Intensivierung weiter zunimmt, dann werden sich die dadurch verursachten Probleme wie Tierseuchen, Tierschutzprobleme, erhöhter Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz, vermehrte Erosion, Emissionen und Ernteausfälle weiter zunehmen. Wenn gleichzeitig kaum zunehmende Vorteile für die Landwirte zu spüren sind und die hohe Abhängigkeit vom Markt unerträglich wird, dann müssen die Landwirte, die Verbraucher, die Politik und irgendwann, sicher stark zeitversetzt, auch der deutsche Bauernverband reagieren. Wie Köhne bereits richtig bemerkt hat: „Die Gesellschaft muss wissen was sie will“ und sie weiß es zunehmend besser und darauf wird der Markt reagieren, vielleicht schneller als es sich Herr Köhne und viele deutsche Landwirtinnen und Landwirte es sich zu träumen wagen.
Die einzige Einschränkung, aber darüber schreibt Köhne nicht, die eine positive Entwicklung des Ökolandbaus verhindern könnte, ist dass die konventionellen Landwirte ihre Chance beim Schopf packen und beweisen, dass sie sich geirrt haben, dass sie umgehend die Fehlentwicklungen rückgängig machen und auf die Verbraucherwünsche eingehen und zumindest Grundanforderungen erfüllen, d.h. Tierschutzkriterien einhalten, Mindestanforderungen an die Fruchtfolge beachten, organisch Düngen, integrierten Pflanzenschutz betreiben, ohne grüne und weiße Gentechnik arbeiten, keine Importfuttermittel mehr einsetzen, auf Differenzierung und Diversifizierung (vgl. WEINBERGER-MILLER 2009) setzen und die landwirtschaftliche Produktion am Selbstversorgungsgrad ausrichten und nicht an der Weltmarktfähigkeit, sich auf dem Weltmarkt nicht über den Preis, sondern über die Qualität profilieren und sozial- und umweltverträglich Wirtschaften. Dann könnten sie den Siegeszug des Ökolandbaus aufhalten und nur dann.

Quellen

EUROPÄISCHE UNION (1991): Nitratverschmutzung durch die Landwirtschaft. Unter: http://europa.eu/legislation_summaries/agriculture/environment/l28013_de.htm. Datum des Abrufs: 11.2.2012.

HERMANOWSKI, Robert (2006): Einführung Soziale Leistungen der Landwirtschaft. In: Ökologie und Landbau 139, 3/2006, S. 14-15.

Weltklimarat IPCC: Agriculture. Unter: http://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichtes/klima-und-energie.html.  Datum des Abrufs: 11.2.2012.

WEINBERGER-MILLER, Dr. P.(2009): Diversifizierung ist in der Landwirtschaft – eine Chance zur Stabilisierung landwirtschaftlicher Betriebe und des ländlichen Raums. Unter: http://www.lfl.bayern.de/ilb/unternehmensfuehrung/. Datum des Abrufs: 11.2.2012

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